Rückblick: Erste Medical Lounge der Initiative Gesundheitswirtschaft e.V. zum Thema "Gesundheit: Wirtschaftsfaktor zwischen Ethik und Kommerz"

Ethische Entscheidungen – Alltag für Ärzte


Nicht nur prominente Entscheidungen wie zur Verwendung embryonaler Stammzellen, sondern vor allem alltägliche Kostenüberlegungen diktieren immer stärker die Arbeit vieler Ärzte. Dies sagte Prof. Dr. Josef Pfeilschifter, Dekan des Fachbereichs Medizin der Universität Frankfurt und Gastgeber der ersten Medical Lounge Rhein-Main in der Uniklinik Frankfurt, in seinem Grußwort vor über 100 Teilnehmern.
Für die Diskussionsteilnehmer Hans-Jörg Gittler (Vorstandsvorsitzender der BAHN-BKK), Dr. Frank König (Neurologe und Autor), die Präsidentin der Landesärztekammer Hessen Dr. Ursula Stüwe und Dr. Thomas Wiederspahn-Wilz (Vorsitzender des Landesverbandes Ambulantes Operieren Land Hessen e.V., Anästhesist und Gesellschafter der Emma-Klinik Seligenstadt) galt es bei der ersten Medical Lounge Rhein-Main, den Umgang mit knappen Ressourcen und daraus resultierende Fragen der Medizinethik zu diskutieren.
Den Autor Dr. Frank König („Ein Chefarzt klagt an“) betrifft das Thema ganz persönlich. In einer privaten Reha-Klinik wird sein Chefarzt-Traum zur moralischen Misere. Ärzte hätten sich dort mehr und mehr als Handlanger der Krankenhausbetreiber gefühlt, denen aus Angst um ihren Job nichts anderes übrig geblieben sei, als unvertretbare ökonomische Vorgaben zu erfüllen, so König, der diese Bedingungen als „krankmachend“ beschreibt. Patienten würden so in vielen Fällen nicht mehr zufriedenstellend versorgt. Ein Zustand, den „profitgierige“ Krankenhausbetreiber laut König billigend in Kauf nehmen. „Mehr Zeit im Arztgespräch“ gehöre zu den von Patienten am häufigsten geäußerten Wünschen. Allerdings werde dem in vielen Krankenhäusern getreu dem Motto „Rendite vor Visite“ schon lange nicht mehr nachgekommen.
Eine „Minutentherapie“ hält auch Dr. Thomas Wiederspahn-Wilz, Vorsitzender des Landesverbandes Ambulantes Operieren Land Hessen e.V. und Anästhesist und Gesellschafter der Emma Klinik in Seligenstadt, für unverantwortlich. Ein Gespräch mit dem Patienten sollte sich an dessen individuellen Bedürfnissen orientieren. „Ärzte arbeiten ziemlich schizophren“, sagt Wiederspahn-Wilz, angesprochen darauf, ob er im Vorfeld über die Kosten einer Behandlung nachdenke. Höchstens abends mache er sich als Klinikeigner darüber Gedanken, so Wiederspahn-Wilz. Dass die Patienten der Emma Klinik diese „glücklich“ verlassen, führt Wiederspahn-Wilz auf die hohe Motivation der Ärzte zurück, denn als Klinikgesellschafter seien sie Patienten und Mitarbeitern gegenüber verantwortlich. Auch eine gute Organisation trage zur Zufriedenheit der Patienten bei, diese sei allerdings in einer kleinen Einheit wie der Emma Klinik auch wesentlich leichter zu gewährleisten als in einem großen Krankenhaus.
Zur Verantwortung gegenüber Mitarbeitern bekannte sich auch Hans-Jörg Gittler, der Vorsitzender des Vorstands der BAHN-BKK ist und zugleich die Vital-Kliniken GmbH, bestehend aus drei Kliniken im Bereich Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung, betreibt.
So gesehen sei die BAHN-BKK Leistungserbringer und Leistungsgewährer in einem und in besonderer Weise mit Fragen von Ethik und Ökonomie befasst. Gittler forderte, die Verminderung von Kosten dürfe nicht zu Lasten der medizinischen Qualität gehen. Er stellte jedoch zugleich die Frage, ob sich Deutschland den durch Krankenkassen finanzierten Leistungsumfang auf Dauer leisten kann, oder ob nicht auch hierzulande aufgrund eines immer weiter Auseinanderdriftens von Einnahmen und Ausgaben über Leistungseinschränkungen nachgedacht werden müsse. Hier wird man dann sicher schnell an ethische Fragen kommen.
Dr. Ursula Stüwe, Präsidentin der Landesärztekammer Hessen, hält eine Neukonzeption des deutschen Gesundheitssystems für unabdingbar. Sie beklagt wie Dr. König den Verlust der individuellen Patientenbehandlung durch zunehmende Kommerzialisierung des Arztberufs und richtet ihr Anliegen einer Diskussion um eine gesamtgesellschaftliche Lösung besonders an die Politik. Hier sei eine breite Diskussion erforderlich, welches die Ziele des Gesundheitswesens in der Zukunft seien sollen. Derzeit stünden lediglich die Ärzte in der öffentlichen Verantwortung.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darüber, dass ökonomisches Denken nicht im Widerspruch zur Medizinethik steht. Es bestand allerdings auch darin Einigkeit, dass Ärzte und Pflegepersonal nicht allein die Verantwortung dafür tragen sollten, mit knappen finanziellen Ressourcen umzugehen. Übereinstimmend machten sie außerdem deutlich, dass der Patient in Zukunft mehr finanzielle Eigenverantwortung übernehmen muss. Detlef Hans Franke, geschäftsführender Gesellschafter der FuP Kommunikations-Management GmbH und Moderator der Diskussionsrunde, schloss passend dazu mit der Bemerkung „Nach der Reform ist vor der Reform“.
Hier können Sie sich den Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Medical Lounge als PDF-Datei ansehen.


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