Mit der Einführung von so genannten Strukturverträgen im Jahre 1997 erhielten die ambulanten Operateure und Anästhesisten in Hessen erstmalig die Möglichkeit, ihre Leistungen zu einem festen DM- bzw. EURO-Betrag über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen abzurechnen. Vorbei schien die Zeit, in der die Ärzte erst 6 Monate nach Erbringen der Operationsleistung und/oder Anästhesieleistung erfuhren, was denn nun ihre Leistung tatsächlich wert war. Erstmals lag das Morbiditätsrisiko, d.h. das wirtschaftliche Risiko der von Patienten und der Politik gewünschen Zunahme ambulanter Operationen wieder da, wo es auch hingehört: bei den Krankenkassen. Dies alles schien eine wünschenswerte, da patientennahe und dennoch im Vergleich zur stationären Behandlung um den Faktor 2-3 kostengünstigere Innovation im Gesundheitswesen zu sein.
Nahezu alle Krankenkassen hatten in den Folgejahren derartige Strukturverträge mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen abgeschlossen und damit eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen. Im Herbst 2001 kündigte die AOK-Hessen die Strukturverträge wegen arger finanzieller Probleme, teils als Folge der völlig verfehlten Gesundheitspolitik von "Rot-Grün" teils aber auch als Folge hausgemachter Probleme. Man beabsichtigte, alle ambulante Operationen wieder in das Budget zurückzuführen und das gesamte Morbiditätsrisiko wieder auf die Ärzte zu übertragen.
Nach einem unter Vorsitz der hessischen Sozialministerin vermittelten vorübergehenden Kompromiß hat ein Schiedsamt am 16.8.2002 über das weitere Schicksal des ambulanten Operierens bei Mitgliedern der AOK-Hessen entschieden und den Streit zwischen Ärzten und Kasse vorläufig beigelegt.
Von den ursprünglich 82 Operationen bleiben nur noch 33 Leistungen übrig, die zu einem festen Eurobetrag vergütet werden. Die restlichen 49 Leistungen müssen zukünftig wieder aus der gedeckelten Gesamtvergütung finanziert werden. Die Vergütung für ambulante Operationen und Anästhesien sinkt bei gleichem OP-Aufkommen wie im Vorjahr um ca. 38-40%. Das Morbiditätsrisiko liegt bei den budgetierten Leistungen erneut bei den Ärzten und die Ärzte wissen zum Zeitpunkt der Leistungserbringung wieder nicht, ob sie die Leistung überhaupt kostendeckend geschweige denn gewinnbringend durchführen können. Die Auftrennung der Leistungen in budgetierte und unbudgetierte Leistungen erfolgte unter rein fiskalischen und nicht unter medizinischen Gesichtspunkten. So etwa bleiben selten durchgeführte Leistungen unbudgetiert. Häufig erbrachte Leistungen wie beispielsweise die Leistenbruchoperation, Operationen der Nase- und Nasennebenhöhlen oder Metallentfernungen sind zukünftig jedoch dem Budget unterworfen.
Der Landesverband Ambulantes Operieren Land Hessen e.V. (LAOH) weist darauf hin, daß unter diesen neuen Bedingungen den Versicherten der AOK zahlreiche ambulante Operationen nicht mehr angeboten werden können bzw. nach Erreichen der Budgetgrenze in das nächste Quartal verschoben werden müssen. "Auch der Bäcker gibt dem Kunden erst dann die Brötchen", so der 1. Vorsitzende des LAOH Dr. Könen, "wenn er weiß, was er dafür in Euro und Cent bekommt".
Könen :"Die AOK-Hessen möchte offensichtlich weniger ambulante Operationen für ihre Mitglieder bereitstellen. Die Ärzte werden dies den Patienten erklären müssen und jeder AOK-Versicherte kann dann selbst das Preis-Leistungsverhältnis seiner Krankenkasse beurteilen und ggf. daraus die Konsequenzen ziehen. Die bei Kassen beliebte Vorstellung, die Ärzte trotz Vergütungsreduktion zwingen zu können, die Leistungen dennoch in vollem Umfange zu erbringen, wird sich als Irrtum erweisen. Es gibt individuelle Praxisbudgets auf der Basis der im Vorjahr erbrachten Leistungen und jeder Arzt kann frühzeitig erkennen, wann sich die Leistung für ihn noch betriebswirtschaftlich rechnet oder wann sie anfängt, ein teures Hobby zu sein".
Das Verhalten der AOK ist nach Meinung des Verbandsvorsitzenden ein deutliches Zeichen dafür, daß das deutsche Gesundheitswesen in den zurückliegenden Jahren stark heruntergekommen ist. Androhung von Repressalien gegen kritische Ärzte, permanente Diffamierung eines ganzen Berufsstandes, die systematische Verdrängung der Fachärzte aus der Niederlassung, das Hochjubeln der Polikliniken in der ehemaligen DDR, die Erschwerung des Zuganges zur privaten Krankenversicherung und schließlich der Angriff auf die Pressefreiheit sind, so Könen, eindeutige Zeichen dafür, wohin der Weg unter "Rot-Grün" gehen soll. Der Arztberuf ist mittlerweile so unattraktiv geworden, daß der Nachwuchs in andere Berufszweige ausweicht und sich besonders in den neuen Bundesländern bereits ein Ärztemangel bemerkbar macht.
"Das Haus steht in Flammen und jeder der meint, Zeit für Experimente zu haben, wird für seine vielleicht wohlgemeinten Reformen nur noch verkohlte Reste vorfinden", warnt Könen die politisch Verantwortlichen. "Die Patienten werden zunehmend mit langen Wartezeiten zu rechnen haben, so wie dies bereits in England und den Skandinavischen Ländern der Fall ist. Wir wollen einen sozialen aber keinen sozialistischen Staat. Wir wollen ein zukunftsorientiertes und liberales Land in einem geeinigten Europa, in dem selbstbewußte und eigenverantwortlich handelnde Bürger eine qualifizierte Medizin erhalten können. Es darf nicht sein, daß eine überbordende Bürokratie die Gelder verschlingt und staatliche Planwirtschaft zur Verödung unseres Staates führt."
Dr. Könen
1. Vorsitzender LAOH
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